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HEFT 2

Ausgabe 2, 2024

Juni 2024

G E W A L T

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Broschur, A5, 176 Seiten
Heft 2, 2023 (2024)
ISSN: 2751-6504

Inhalt

Dem Stichwort "Gewalt" nähern sich in dieser Ausgabe ANAHITA SEYED VOSSOUGHI und URSULA KREUZER-HAUSTEIN im Gespräch über eine Reflexion auf Aggression und Destruktivität in der analytischen Situation. Als hilfreiches Reflexionsmodell dient hierbei die Freudsche Theorie des Todestriebes.

Wie fließend der Übergang zwischen Aggression und Gewalt ist und was dieser mit dem Gefühl der Abhängigkeit zu tun hat, wird im Interview von ALINA FLOORS und TOBIAS REUSS mit LILLI GAST deutlich, in dem Gast festhält: »In unserer frühesten Ausgeliefertheit lauert eine potenzielle Gewalt…«

Hier werden zudem in Kürze weitere Texte zum Heftthema online zu finden sein, welche insbesondere die Gewalt des antisemitischen Massakers vom 07. Oktober 2023 und die verharmlosende Perspektive darauf in weiten Teilen der globalen Linken beleuchten (darunter u.a. ein Interview von NORA KÜHNERT mit STEFFEN KLÄVERS).

Wir freuen uns – mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Psychoanalyse. Texte zur Sozialforschung und KURT GRÜNBERGs – über den möglich gewordenen Wiederabdruck seines Beitrags, in dem er die kollektiven Erfahrungsdimensionen von Angehörigen der Zweiten Generation Shoah-Überlebender und von der nichtjüdisch-deutschen Kollegenschaft im Sinne eines szenischen Erinnerns betrachtet und fragt, inwieweit sich darin Antisemitismus/Erfahrungen manifestieren.

Neben den zum Heftthema geführten Gesprächen finden sich in der vorliegenden Ausgabe zudem drei Hauptbeiträge: Im ersten Hauptbeitrag folgt ADDA ORBACH den Spuren der Erotik im Werk Theodor W. Adornos und eruiert diese anhand dessen Platoninterpration.
Ausgehend von Freuds fehlendem Begriff von Identität wird im Beitrag von AARON LAHL eine psychoanalytische Perspektive auf Identität und Geschlecht mithilfe der Theorie Jean Laplanches diskutiert.
ALISSA GEFFERT zeigt in ihrem Beitrag den literarisierten Umgang mit Scham und Schamaffekten in den autosoziografischen Werken von Annie Ernaux und Didier Eribon auf, wobei sie das konflikthafte Verhältnis zur psychoanalytischen Theoretisierung der Scham einbezieht.

Abschließend finden Sie drei Glossen: Anhand der Theorien Herbert Marcuses und Rahel Jaeggis spürt NICLAS O’DONNOKOÉ in seiner Glosse dem keineswegs unumstrittenen Begriff der Entfremdung nach.
Welchen Einfluss die psychoanalytische Behandlung Samuel Becketts durch den noch jungen Wilfred R. Bion auf die Werke beider gehabt haben konnte, zeigt DAVID REINCKE auf.
Den Verarbeitungskatastrophen im filmischen Werk des kanadischen Regisseurs David Cronenberg geht schließlich BENEDIKT SALFELD im letzten inhaltlichen Beitrag unserer Ausgabe nach.
Abschließend geben LAURA KLEIN und KATHARINA FISCHER in ihrem Tagungsbericht einen Überblick über die 4. Jahrestagung des Arbeitskreises Sexualitäten in der Geschichte, welche 2023 an der Internationalen Psychoanalytischen Universität in Berlin stattfand. Ein Überblick, der auch als Ausblick auf unsere kommende Ausgabe zum Thema Sexualität verstanden werden kann, die – neben einem Sonderheft zu dem Religionsphilosophen Klaus Heinrich – als nächstes erscheinen wird.

Wir wünschen eine anregende Lektüre –
Redaktion Signorelli

Artikel

Editorial

Redaktion Signorelli

In der Zeitschrift

Aggression in der analytischen Situation und das Modell des Freudschen Todestriebs

Anahita Seyed Vossoughi

Interview mit Ursula Kreuzer-Haustein

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»In unserer frühesten Ausgeliefertheit lauert eine potenzielle Gewalt…«

Alina Floors & Tobias Reuss

Interview mit Lilli Gast

In der Zeitschrift

Eros und Erkenntnis. Adornos erotische Platoninterpretation

Adda Orbach

Adorno hat Triebe in seinen Gedanken aufgehoben, Erotik macht eine Idiosynkrasie seines Denkens aus...

In der Zeitschrift

Identifizierung, Identität, Nicht-Identisches. Zur Genese der (Geschlechts-) Identität im Anschluss an Freud und Laplanche

Aaron Lahl

Wenn wir im Werk Sigmund Freuds nach dem Begriff der psychischen Identität suchen, merken wir schnell, dass Freud ihn fast gar...

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›Literarische Ätiologien‹ der Scham zwischen Sozial- und Selbstanalyse

Alissa Geffert

Die Wahrheit der Scham, in ihrer affektiven Kraft, ist Ausgangspunkt der literarischen Erzählungen von...

In der Zeitschrift

Ist das Antisemitismus? Deutsch-jüdische Erfahrungen nach der Shoah

Kurt Grünberg

(Wiederabdruck) Bislang gibt es nur wenige Publikationen, in denen aus der Perspektive von Juden deren Erleben institutioneller Konflikte mit nicht-jüdisch-deutschen Kolleginnen und Kollegen in diesem Land untersucht werden

In der Zeitschrift

Jenseits von Entfremdung: Utopie oder Anpassung? Die Entwicklung sozialphilosophischer Entfremdungskonzepte anhand eines Vergleichs von Herbert Marcuses und Rahel Jaeggis Theorien

Niclas O'Donnokoé

Die höfliche Banalität des Smalltalks mit Kolleg⋆innen, die sinnlosen und repetitiven Arbeiten in sogenannten Bullshit Jobs oder die rollenkonforme Anonymität im Gespräch mit einer Supermarktkassiererin

In der Zeitschrift

A psychoanalyst’s phantasms? Zur reziproken Beziehung im Werk von Wilfried R. Bion und Samuel Beckett

David Reincke

Wer sich mit dem Oeuvre des Schriftstellers Samuel Beckett (1906-1989) auseinandersetzt, wird unausweichlich auf dessen psychoanalytische Prägung stoßen

In der Zeitschrift

Geschichten der Gewalt. David Cronenbergs Familienkatastrophen

Benedikt Salfeld

Für seine genreprägenden body horror-Filme bekannt, hat David Cronenberg sich immer wieder auch Familiendramen gewidmet...

In der Zeitschrift

Autorinnen und Autoren

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Neu im Blog

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Vom Ver-Schweigen. NS-Täterschaft und -Mitläufertum in deutschen Familien und ihre transgenerationalen Folgen

Seminar zu Genealogie und Tiefenhermeneutik in den Räumen der Internationalen Psychoanalytischen Universität Berlin |

"Im Unterschied zu den Nachkommen der Überlebenden wissen Kinder von Tätern oder Mitläufern häufig nicht, wie ihre Vorfahren in der Zeit des Nationalsozialismus handelten. (...) wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Kollektiv der Deutschen tendenziell die Nazi-Vergangenheit verleugnet, so wird evident, dass ein innerfamiliäres Ver-Schweigen nicht notwendigerweise auffallen muss. Die Verwirrung, die Töchter und Söhne im Durchschnitt deutscher Familien erleben, bleibt daher meist unbewusst.“
— Kurt Grünberg (1997, S.17), Schweigen und Ver-Schweigen

Laut dem Multidimensionalen Erinnerungsmonitor (MEMO, 2025) werden Wissenslücken zur familiären Verstrickung in den Nationalsozialismus besonders dann erkennbar, wenn es um das direkte Umfeld und die Familie geht: Haben Opa oder Uropa sich schuldig gemacht oder die Firma, die ihnen gehört, von der NS-Zeit profitiert? Über persönliche Verstrickungen ist den meisten immer noch wenig bekannt.

Das Ver-Schweigen in Familien von NS-Tätern und Mitläufern ist selten Ausdruck bewusster Schuld. Viel häufiger handelt es sich um ein Symptom unbewältigter Abwehrmechanismen, die sich über Generationen hinweg erhalten. Dieses Seminar möchte zur Reflexion über die psychosozialen Folgen nationalsozialistischer Verstrickungen im familiären Selbstverständnis und im kollektiven Gedächtnis anregen.

Eine Besonderheit dieses Seminars liegt im methodischen Zusammenspiel von gemeinsamer Archivarbeit und hermeneutischer Gruppenreflexion. Die Teilnehmenden werden sowohl in ihrer eigenen Recherche über ihre Familiengeschichte, als auch der Reflexion darüber unterstützt. Während sich die Forschung häufig entweder auf Archivarbeit oder eine narrativ-biografische Analyse konzentriert, sollen in diesem Seminar die manifesten und latenten Dimensionen familiärer NS-Verstrickung gemeinsam erschlossen werden. Somit wird der Erkenntnisprozess über die eigene familiäre Vergangenheit letztlich selbst zum Gegenstand der Gruppenreflexion gemacht.

Das Seminar gibt eine Einführung in die Archivarbeit. Die Teilnehmenden werden dann bei der theoretischen, biografischen und emotionalen Auseinandersetzung mit ihrer individuellen Familiengeschichte begleitet. Im theoretischen Fokus steht die psychoanalytische, sozialpsychologische und biografie-soziologische Auseinandersetzung mit der intergenerationellen Weitergabe der NS-Täterschaft – mit einem besonderen Augenmerk auf das „ganz normale“ Ver-Schweigen in Familien ehemaliger Wehrmachtssoldaten und Mitläufer.

Obwohl diese Vergangenheit in vielen Familien nie explizit thematisiert wurde, hinterließ sie – wie unter anderem Gabriele Rosenthal gezeigt hat – dennoch Spuren bei den Nachfolgegenerationen. So unterscheidet Kurt Grünberg (1997, 1998) zwischen dem Schweigen der Überlebenden – als sprachloser, affektiv aufgeladener Kommunikationsverweigerung – und dem Ver-Schweigen der Täter und Mitläufer als aktiver Normalisierung und Abwehr. Jan Lohl und Angela Moré (2014) zeigen auf, wie sich unbewusste Erbschaften des Nationalsozialismus in emotionalen Deutungsmustern und dem sozialen Habitus reproduzieren – oft ohne explizite Thematisierung. Gabriele Rosenthals biografisch-narrativer Zugang (2001) verdeutlicht, wie Täterbiographien durch transgenerationale Narrative „entschärft“ oder umgedeutet werden – etwa durch die Betonung von „Pflichterfüllung“ oder „politischer Unwissenheit“.

Wie wird NS-Täterschaft oder -Mitläufertum in deutschen Familien also erinnert – oder eben nicht erinnert? Welche Formen des Ver-Schweigens haben sich in deutschen Familien etabliert, und wie wirken sie bis heute nach? Was macht das mit den Nachkommen? Und wie lassen sich eigene familiäre Verstrickungen in die NS-Zeit und ihre emotionale Dimension in der dritten Nachfolgegeneration rekonstruieren?


Termine:
Samstag der 15.11.2025
Samstag der 17.01.2026
Samstag der 07.02.2026
Jeweils von 10 bis 18 Uhr.

Ort:
Stromstr. 2, 10555 Berlin
Der Raum für das Seminar wird den Teilnehmenden nach Anmeldung bekannt gegeben.

Teilnahme:
Begrenzt auf 15 Teilnehmende.

Eine Teilnahme von Externen (Studierenden sowie Berufstätigen oder anderen Interessierten) ist möglich.

Wir bitten um Anmeldung über folgendes
Anmeldeformular→

Seminarleitung:
Nora Kühnert (M.A., M.A.), Lena Sophie Glade (M.A.)

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Hitchcock in Deutschland oder wie die Nazis zu Dealern wurden

Filmscreening und Workshop im Rahmen der Veranstaltungsreihe Gibt es was zu feiern? - 10 Jahre krIPU

Die Studierendeninitiative krIPU wird 10 Jahre alt und blickt im aktuellen Sommersemester auf ebendiese 10 Jahre Schaffenszeit zurück. Wir möchten nicht nur gratulieren, sondern begehen im Rahmen der Veranstaltungsreihe auch einen gemeinsamen Abend.


27.06.2025 - Hitchcock in Deutschland oder wie die Nazis zu Dealern wurden Filmscreening von Hitchcocks Notorious/Weisses Gift und Workshop zu einem Aufsatz Sonja Wittes

Die psychoanalytische Kulturwissenschaftlerin Sonja Witte war ebenfalls Gründungsmitglied der krIPU und ist 2024, im Alter von 44 Jahren, viel zu früh nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben. In ihrem Aufsatz, den wir uns an diesem Abend gemeinsam ansehen möchten, befasst sie sich am Beispiel von Hitchcocks Notorious und dessen inadäquaten deutschen Erstübersetzung aus einer psychoanalytischen Perspektive mit der Schuldabwehr in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Am 27.06. wird der Film in der IPU Berlin, Alt-Moabit 91B, Raum-01 gezeigt. In diesem Rahmen, wollen wir uns auch mit dem Aufsatz Wittes befassen, der etwas weiter unten heruntergeladen werden kann. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr, um Anmeldung per Mail an kripu(at)ipu-berlin.de wird gebeten.


Zeitnah hier zum Download verfügbar: Sonja Witte: Hitchcock in Deutschland oder wie die Nazis zu Dealern wurden. Der Versuch einer psychoanalytischen Darstellung der deutschen Schuldabwehr am Beispiel von „Notorious“→

Weitere Veranstaltungen der Reihe:
08.05.2025 - Yair Qedar: Outsider. Freud: Filmscreening and Q&A with the director (EN)

18.06.2025 - Aaron Lahl: Sex ohne Trieb? Überlegungen zum Schicksal des Sexualtriebes in Psychoanalyse und Gesellschaft

04.07.2025 - Benedikt Salfeld: ›das Grauen hatte meine Gefühle nicht abgestumpft‹. Die Kriegsreportagen Lee Millers

Weitere Infos →

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